10 Jahre Hilfen für Geflüchtete

Georgie Kim Pierenkemper (l.) mit Kollegin Nicole Janßen an der Erstaufnahme Neuer Höltigbaum in Rahlstedt
Foto: F&W/Heike Günther
Heute: An mehr als 200 Standorten in Hamburg gibt F&W obdachlosen oder geflüchteten Menschen eine Unterkunft. Rund 45.000 Personen bekommen auf diese Weise in Hamburg ein Dach über dem Kopf. Das sind so viele Einwohner:innen wie in den Stadtteilen Lokstedt und Stellingen zusammen.
10 Jahre zurück: Wie war das im Sommer 2015, als die Geflüchteten in Zügen oder per Bus in der Hansestadt ankamen und so schnell wie möglich untergebracht werden mussten? F&W-Mitarbeiter:innen Georgie Kim Pierenkemper und Nicole Janßen berichten
Wie haben Sie den Sommer 2015 in Erinnerung?
Georgie Kim Pierenkemper: Eigentlich wollte ich 2015 zurück in die Entwicklungshilfe und in Ruanda arbeiten. Dann schossen die Zugangszahlen geflüchteter Menschen bundesweit in die Höhe. Warum also sollte ich ins Ausland gehen, wenn ich die Notsituation direkt vor der Haustür, in meiner Stadt, hatte? Ich wollte Verantwortung übernehmen und habe mich mit der Schnackenburgallee bewusst für eine große Unterkunft entschieden, die in den Augen vieler prekär war.
Nicole Janßen: Im Sommer 2015 war ich in Pinneberg bei einem Bildungsträger beschäftigt. Ein früherer Kollege hat mir begeistert von seiner Arbeit in der Zeltstadt Schnackenburgallee erzählt. Daraufhin habe ich mich bei F&W beworben. So erschreckend es vielleicht klingt: Für mich passte es hier von Anfang an. Es klappte, weil wir alle Teamplayer waren, die ein gemeinsames Ziel hatten.
Zelte an der Schnackenburgallee im Sommer 2015
Und Ihr erster Arbeitstag?
Nicole Janßen: Ich stand auf einer Baustelle im Matsch in Bergstedt, wo eine öffentlich-rechtliche Unterbringung für 360 Menschen aufgebaut und belegt werden sollte. Schon an Tag 2 kam der erste Reisebus mit 50 Personen.
Georgie Kim Pierenkemper: Ich stand im Matsch in Bahrenfeld. Die Belegung der Unterkunft sollte unmittelbar erfolgen, die Zelte waren nicht fertig, es fehlte Wasser, Strom. Die Gummistiefel, die ich an Tag 1 angezogen habe, habe ich über Wochen nicht ausgezogen. Mit meinen elf Kolleginnen und Kollegen hatten wir schnell den “Spirit Schnacke”, das heißt, es ging nur darum, dieses eine enorme Aufgabenpaket zu stemmen: 1.800 Menschen in einer Zeltanlage und 1.200 Menschen in Modulcontainern unterzubringen, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.
- Steuerung der betrieblichen Abläufe, zum Beispiel Beschaffung von Möbeln und Verpflegung
- Ausbau und Weiterentwicklung tragfähiger Netzwerke in den Quartieren, zum Beispiel mit freien Angebotsträgern und dem Sozialraummanagement
- Öffentlichkeits- und Akzeptanzarbeit, zum Beispiel gegenüber Nachbar:innen und Mandatsträger:innen
- Dienst- und Fachaufsicht über das Team, das aus Unterkunfts- und Sozialmanagement sowie Technischem Dienst besteht
Was ist heute bei der Unterbringung von Geflüchteten anders als 2015?
Nicole Janßen: Der organisatorische Apparat ist heute rundum abgesichert. Es gibt fachliche Steuerung, Qualitätsmanagement, klare Leitfäden und viele Schnittstellen. Die gesamte Vernetzung hat sich etabliert und ist stabil. Die Grundstruktur der Versorgung und Ausstattung erfolgt mittels Standards. Wir gleichen uns stärker mit den Teams anderer Einrichtungen ab. Dafür war 2015 gar keine Zeit.
Georgie Kim Pierenkemper: Die Situation ist professionalisiert. Wir greifen auf Strukturen und Pläne zurück. Trotzdem sind wir im Bereich Erstaufnahmen immer wieder mit Neuem konfrontiert: erst Corona, dann die afghanischen Ortskräfte, dann die Geflüchteten aus der Ukraine … Vieles müssen wir uns erarbeiten. Und dabei nützt uns das Wissen aus den vorangegangenen Situationen.
(Quelle: F&W)
Was haben Sie persönlich gelernt?
Georgie Kim Pierenkemper: Keine Angst zu haben. Sich erst auf die Situation einzulassen und dann die Strukturen nachzuziehen. Und: Vertrauen ins Team zu haben. Bis heute ist in meinem Bereich akutes Arbeiten und schnelles Handeln gefragt. Das liegt mir.
Nicole Janßen: Dass das Gefühl, einen sinnvollen Job zu machen, mich extrem positiv beeinflusst. Ich kann vieles aktiv gestalten, vieles ist unerwartet. Einen Alltagstrott gibt es für mich auch nach zehn Jahren nicht.
Georgie Kim Pierenkemper
Kriminologin, 2014 bis 2016: Sozialmanagement, dann Teamleiterin Zentrale Erstaufnahme Schnackenburgallee, seit 2016 Bereichsleiterin Erstaufnahme und seit 2025 zusätzlich stellv. Geschäftsbereichsleitung bei F&W
Nicole Janßen
Diplom-Sozialpädagogin, 2016 bis 2019: Unterkunfts- und Sozialmanagement (UKSM) Unterkunft in Wandsbek/Bergstedt, 2020 bis 2023: UKSM der Erstaufnahme Neuer Höltigbaum, seit 2024: Teamleitung Erstaufnahme Neuer Höltigbaum