10 Jahre Hilfen für Geflüchtete

An mehr als 200 Standorten gibt F&W heute rund 45.000 obdachlosen oder geflüchteten Menschen in Hamburg eine Unterkunft. Wie war das vor zehn Jahren im Sommer 2015, als die Geflüchteten in der Hansestadt schnellstens untergebracht werden mussten? Teil 3: Roberto Klann, seit dem Jahreswechsel 2014/2015 Geschäftsführer bei F&W für den Bereich Projekt- und Immobilienmanagement und seit Juli 2025 im Ruhestand, blickt zurück.
Sie haben zum Jahreswechsel 2014/2015 bei F&W begonnen und standen bis Juli als Geschäftsführer an der Spitze des Unternehmens. Wie haben Sie den Sommer 2015 in Erinnerung?
Roberto Klann: Als extrem herausfordernd. Im Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt: „Trauen Sie sich zu, schnell 4.500 Geflüchtete unterzubringen?“ Ich hatte zuvor für eine Fondsgesellschaft gearbeitet, die jährlich mehrere Pflegeheime bundesweit und europaweit gebaut hat. Die Frage habe ich mit einem klaren „Ja.“ beantwortet. Schon im ersten Jahr meiner Tätigkeit für F&W stieg die Zahl der Geflüchteten sprunghaft an. Es ging plötzlich um knapp 10.000 Plätze, es gab jeden Tag neue Zahlen. Alle Kapazitäten schienen ausgeschöpft, der Markt für Container-Module war wie leergefegt. Zum Glück hatte unser Team vom internen Beschaffungsmanagement gute Rahmenverträge abgeschlossen, wir haben Container bekommen und konnten die Menschen auch in dieser Größenordnung unterbringen.
Was ist heute bei der Unterbringung von Geflüchteten im Bereich Bau anders als 2015?
Vieles! 2015 hat F&W mit dem Geschäftsbereich Projekt- und Immobilienmanagement ein zweites Standbein bekommen, für das ich nun zehn Jahre zuständig sein durfte. 2016 hat die Hamburger Bürgerschaft das Anstaltserrichtungsgesetz für F&W geändert, seitdem ist der soziale Wohnungsbau für vordringlich Wohnungssuchende als unser Geschäftsfeld gesetzlich festgelegt. Inzwischen bauen wir Massiv-Neubauten mit Mietwohnungen, haben ganze Standorte entwickelt, sanieren bestehende Häuser, errichten temporäre Unterkünfte in Modulbauweise. Um schneller zu sein, haben wir 2018 ein eigenes Handwerkteam gegründet, das heute mehr als 100 Beschäftigte zählt. Aktuell hat F&W 820 Bestandsgebäude im Besitz, da gibt es viel zu tun. Die örU-Standorte, die vorübergehend auf- und wieder abgebaut wurden, sind da nicht mitgezählt, es handelt sich um mehrere Tausend Plätze.
Welches Bauvorhaben der vergangenen zehn Jahre hat für Sie besonderen Stellenwert?
Da gibt es einige. Denn F&W kann mehr als Container und Modulbauten! In den vergangenen zehn Jahren hat F&W 630 Wohnungen gebaut, vermietet heute 1.500 Wohnungen, bietet Apartments für Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. Alles das findet sich für mich im Quartier Ohlendiekshöhe in Poppenbüttel wieder. Am Anfang ein 3 Hektar großes Rapsfeld, heute ein Wohnquartier mit 316 Wohnungen für ehemals Wohnungslose, Geflüchtete, Assistenzbedürftige. Auf dem Gelände stehen Massivhäuser mit Innenhöfen, es gibt ein Begegnungshaus, zwei Kitas, Platz zum Spielen, ein Blockheizkraftwerk. Ein attraktiver, moderner Lebensort im Grünen für mehr als 1.000 Menschen. Ich hoffe, dass uns der Hafenbahnpark ähnlich gut gelingen wird. Eine genehmigte Planung liegt bereits vor.
Heute: das Quartier Ohlendiekshöhe in Poppenbüttel
Was haben Sie persönlich gelernt?
2015 war der Zeitdruck, Unterkünfte aus dem Boden zu stampfen, enorm hoch. Doch die Menschen brauchten ein Dach über dem Kopf – und es gab Tage, an denen 1.000 Menschen und mehr in Hamburg eintrafen. Es ging somit immer um das Ergebnis – und ich habe gelernt, dass man dafür auch mal eine „Abkürzung“ nehmen muss und Verfahren parallel laufen lässt, denn der Mensch steht im Vordergrund. Zum Glück befand ich mich auch auf bekanntem Terrain und konnte meine Grunderfahrung aus den Großprojekten, die ich zuvor begleitet hatte, auf F&W übertragen. Und ich habe immer gute Mitarbeiter:innen und Unterstützer:innen an meiner Seite gehabt.
Roberto Klann
1976-79 Berufsausbildung mit Abitur in Bautzen, 1981-85 Studium an der TU Cottbus, Diplom-Ingenieur/beratender Ingenieur für Bau- und Immobilienwirtschaft, Mitwirkung an Großprojekten u.a. Erdgas-Trasse/Verdichterstation in der heutigen Ukraine, Großkraftwerk Boxberg (größtes Braunkohlekraftwerk der DDR), im Sommer 1989 Flucht über Ungarn, ab 1989 Planer und Statiker mit Führungsverantwortung in Bensheim Frankfurt/Main, Essen, Schwerin, 2015-2025 Geschäftsführer bei F&W