Fördern & Wohnen wurde im Jahr 2007 als Anstalt öffentlichen Rechts gegründet. Doch die Geschichte des Unternehmens reicht über 400 Jahre zurück.
Das Werk- und Zuchthaus.
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17. bis 18. Jahrhundert – Gründung des Werk- und Zuchthauses
Die Versorgung von Armen und Obdachlosen wird in Hamburg ab dem frühen 17. Jahrhundert zur städtischen Aufgabe. Vor dem Hintergrund von Reformation und 30-jährigem Krieg errichtet die Stadt 1619 am Alstertor das „Werk- und Zuchthaus“, das Armenunterkunft und Arbeitsanstalt zugleich ist.
19. Jahrhundert – Ende des Strafvollzugs im Werk- und Zuchthaus
Trotz der organisatorischen Trennung in ein Armen- und ein Zuchthaus im Jahr 1811, änderte sich nicht viel an der Vermischung von Strafvollzug, Zwangsarbeit und Armenfürsorge.
Damaliges Gebäude der Übernachtungsstätte Pik As.
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Beginn des 20. Jahrhunderts – 1. Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise
Nach 1. Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise steigt die Zahl der Menschen, die auf öffentliche Fürsorge angewiesen sind, extrem an. Die Stadt reagiert mit einer Verwaltungsreform: 1919 wird das Werk- und Armenhaus in „Staatliches Versorgungsheim“ umbenannt. 1920 folgt die Gründung des Wohlfahrtsamtes, der Vorgängerinstitution der heutigen Sozialbehörde. Die ihr zugeordneten Einrichtungen heißen jetzt „Wohlfahrtsanstalten“ und werden umfassend ausgebaut.
Der historische Wasserturm.
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Mitte des 20. Jahrhunderts – Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg
Menschen, die nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen, kommen – meist unfreiwillig – ins Versorgungsheim Farmsen. Die große Zweigstelle ist seit 1904 in Betrieb. Um die Öffentlichkeit vor ihnen zu „schützen“, werden Alkoholkranke, Prostituierte, „Asoziale“ und Menschen mit Behinderung zwangseingewiesen und geschlossen untergebracht. Sie werden entmündigt, zu harter Arbeit auf dem Feld oder in den Anstaltsbetrieben gezwungen und körperlich gezüchtigt.
Verbrechen im Nationalsozialismus
Während des Nationalsozialismus intensiviert man diese Praxis. Auch Jugendliche, die sich der Hitler-Jugend verweigern, und Homosexuelle werden in Farmsen interniert. Das Versorgungsheim lässt Menschen zwangsweise sterilisieren und überstellt sie an Einrichtungen, von denen Transporte in Tötungsanstalten führen.
Die Erinnerung an diesen Missbrauch städtischer Sozialeinrichtungen hält Fördern & Wohnen wach. Wir haben gemeinsam mit Pflegen & Wohnen Hamburg die Initiative ergriffen, auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen einen Erinnerungsort zu gestalten.
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1960er-Jahre – Reformen
1962 tritt das Bundessozialhilfegesetz in Kraft. Ab jetzt besteht ein Rechtsanspruch auf staatliche Hilfe für alle Menschen, die in einer Notlage sind. Mitsprache und Mündigkeit der Betroffenen rücken in den Fokus. Darunter fallen nicht mehr nur Arme oder Mittellose, sondern auch Menschen mit Behinderung. Im Gesetz ist die Eingliederungshilfe erstmals verankert. Die Unterstützung richtet sich nach dem individuellen Bedarf und ist nicht mehr an Gegenleistungen gebunden.
Das Schiff Stockholm.
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1990er-Jahre – Neue Strukturen
Anfang der 1990er-Jahre suchen innerhalb kurzer Zeit hunderttausende Menschen in Deutschland Schutz vor den Jugoslawien-Kriegen und anderen Konflikten. Hinzu kommen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes Spätaussiedler:innen aus der Sowjetunion und Übersiedler:innen aus der ehemaligen DDR.
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2000er-Jahre – Entstehung von Fördern & Wohnen
Anfang der 2000er-Jahre leitet ein neuer Senat die Privatisierung der städtischen Pflegeheime und der städtischen Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen ein. Der Pflegebereich wird in eine GmbH überführt und 2006 verkauft. Die verbleibende Anstalt öffentlichen Rechts erhält 2007 den Namen f & w fördern und wohnen AöR. 2008 wird die Privatisierung der Eingliederungshilfe gestoppt. Ihre Angebote werden stattdessen fachlich und organisatorisch weiterentwickelt. Da kaum noch Asylsuchende nach Hamburg kommen, werden viele Unterkünfte geschlossen.
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2010er-Jahre – Herausforderung „Flüchtlingskrise“ und Wohnungsbau
Als 2011 der Bürgerkrieg in Syrien beginnt, nimmt die Zahl von Zufluchtsuchenden in Deutschland wieder zu. Mitte der 2010er-Jahre sind weltweit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Immer mehr Menschen suchen Schutz in Hamburg. Im Spätsommer 2015 kommen täglich mehrere hundert Geflüchtete in der Stadt an. Mitte September 2015 befinden sich rund 15.000 Asylsuchende in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen. Ende 2012 waren es nur knapp 400.
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2015 – Neue Aufgaben
Ende 2016 ändert die Hamburger Bürgerschaft das Anstaltserrichtungsgesetz für F&W: Das Unternehmen steigt in den Bau von geförderten und freifinanzierten Wohnungen ein.
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2020er-Jahre – Pandemie und Kapazitätsaufbau auf 46.000 Plätze
Als im März 2020 die Coronavirus-Pandemie in Deutschland zu einem weitgehenden „Lock down“ führt, werden viele Einrichtungen für hilfesuchende Menschen bis auf Weiteres geschlossen. Nicht so die Anlaufstellen von F&W: Als Teil der öffentlichen sozialen Daseinsvorsorge halten sie ihren Betrieb aufrecht und bauen ihn sogar aus.