Jahrhunderte Soziale Arbeit

Historie

Vom Armenhaus zum Sozialunternehmen – 400 Jahre Fördern & Wohnen.
Die Illustration zeigt eine große Unterkunft mit Menschen

Fördern & Wohnen wurde im Jahr 2007 als Anstalt öffentlichen Rechts gegründet. Doch die Geschichte des Unternehmens reicht über 400 Jahre zurück.

Das Werk- und Zuchthaus.

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17. bis 18. Jahrhundert –  Gründung des Werk- und Zuchthauses

Die Versorgung von Armen und Obdachlosen wird in Hamburg ab dem frühen 17. Jahrhundert  zur städtischen Aufgabe. Vor dem Hintergrund von Reformation und 30-jährigem Krieg errichtet die Stadt 1619 am Alstertor das „Werk- und Zuchthaus“, das Armenunterkunft und Arbeitsanstalt zugleich ist.

Disziplinierung durch Arbeit

Denn die öffentliche Fürsorge verlangt eine Gegenleistung: Arbeit in den hauseigenen Produktionsstätten soll die Armen disziplinieren, von Straftaten und Bettelei abhalten und sie zu einem nützlichen Teil der Gesellschaft machen. Die Grenze zum Strafvollzug ist fließend: „Mutwillig“ Arme wie Trinker, Spielsüchtige oder Kleinkriminelle werden zwangseingewiesen und haben keinen Ausgang. Das Personal hat die Aufgabe, zu überwachen und zu disziplinieren. Bei Fehltritten verhängt es harte Strafen.

Unterkunft und Broterwerb für Arme

Für viele Menschen, die freiwillig kommen, ist das Werk- und Zuchthaus eine Chance, Geld zu verdienen, eine Unterkunft zu haben und verpflegt zu werden.

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19. Jahrhundert – Ende des Strafvollzugs im Werk- und Zuchthaus

Trotz der organisatorischen Trennung in ein Armen- und ein Zuchthaus im Jahr 1811, änderte sich nicht viel an der Vermischung von Strafvollzug, Zwangsarbeit und Armenfürsorge.

1842 wird das Werk- und Zuchthaus am Alstertor durch den „großen Brand von Hamburg“ zerstört. 1853 errichtet die Stadt in Barmbek das neue „Werk- und Armenhaus“.

Ende des Strafvollzugs

Noch bis 1879 ist das Werk- und Armenhauses in seiner Fuhlsbüttler Zweigstelle für Haftvollstreckung zuständig. Dann geht diese Zuständigkeit an das nebenan errichtete neue Hamburger Zentralgefängnis über.

Ab 1850 errichtet Hamburg ein neues Werk- und Armenhaus in Barmbek, das noch außerhalb der Stadtgrenzen liegt. Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe bilden die wirtschaftliche Grundlage und bieten den Insass:innen Arbeit. Trotz der Umbenennung bleibt der Charakter einer Zwangsanstalt bestehen. „Sittenlose“, „Faule“  oder unter „Schutzarrest“ gestellte Alkoholkranke werden weiterhin zwangsweise geschlossen untergebracht.

1866 beziehen etwa 200 Insass:innen ein Arbeitshaus der ersten Zweigestelle des Werk- und Armenhauses im außerhalb von Hamburg gelegenen Fuhlsbüttel. Es handelt sich ausschließlich um „arbeitsfähige Insassen“. Als 1879 nebenan das neue Hamburger Zentralgefängnis eröffnet, wird ihm die Zweigstelle zugeordnet, womit die Haftvollstreckung im Werk- und Zuchthaus endet.

Auf dem „Huckfeld“ bei Hittfeld entsteht 1879 ein Werk- und Armenhaus, in dem bis 1930 vor allem Waisen wohnen. Als das Gebäude 1937 in Hamburger Besitz übergeht, ist es seit kurzer Zeit ein Pflegeheim. Während des 2. Weltkriegs wird es als Ausweichkrankenhaus genutzt und danach als Heim für pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung.

Bis in die 1980er Jahre leben sie von ihrer Umgebung abgeschirmt, tragen Heimkleidung und werden nach Maßstäben der Pflege betreut. Ab 1985 baut man Haus Huckfeld zu einer pädagogischen Einrichtung der Behindertenhilfe um und stellt das Betreuungskonzept neu auf. Aus Schlafsälen werden kleine Wohnbereiche für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung.

Die Stärkung individueller Fähigkeiten, das Recht auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe rücken in den Mittelpunkt.

Damaliges Gebäude der Übernachtungsstätte Pik As.

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Beginn des 20. Jahrhunderts – 1. Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise

Nach 1. Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise steigt die Zahl der Menschen, die auf öffentliche Fürsorge angewiesen sind, extrem an. Die Stadt reagiert mit einer Verwaltungsreform: 1919 wird das Werk- und Armenhaus in „Staatliches Versorgungsheim“ umbenannt. 1920 folgt die Gründung des Wohlfahrtsamtes, der Vorgängerinstitution der heutigen Sozialbehörde. Die ihr zugeordneten Einrichtungen heißen jetzt „Wohlfahrtsanstalten“ und werden umfassend ausgebaut.

Fortschrittliches Wohnen für Senior:innen

In Groß Borstel eröffnet 1929 Deutschlands modernstes Altersheim. Während in einigen Anstalten die Qualität der Unterbringung und Betreuung steigt, wird in anderen das Prinzip der angeordneten Zwangsfürsorge verfestigt.

Polizei-Asyl für Obdachlose

Die schon 1913 eröffnete städtische Notübernachtungsstätte für Obdachlose, das heutige Pik As, untersteht bis in die 30er-Jahre der Polizeibehörde.

Deutschlands älteste Obdachlosenunterkunft entsteht 1913. Sie ist der Polizeibehörde unterstellt und wird von wohlhabenden Bürgervereinen mitfinanziert. Das Polizei-Asyl („P.As.“) ist nicht nur wohltätig. Es soll „Stadtstreicher, Hafenlöwen und Tippelbrüder“ kontrolliert beherbergen.

Im Nationalsozialismus geht das Pik As an die Sozialbehörde über. An dem Charakter der Einrichtung ändert das nichts. Es kommt zu Verhaftungen und Deportationen. Nach dem 2. Weltkrieg öffnet man das Haus für die leidende Bevölkerung. Ende der 1950er-Jahre erhält es seine bis heute gültige Bestimmung als Not-Übernachtung für obdachlose Männer.

Spätestens seit den 1970ern arbeiten vermehrt Sozialarbeiter:innen in der Einrichtung. Sie beraten über Hilfsangebote und Wege aus der Obdachlosigkeit. Obdachlose Frauen finden seit 2001 im FrauenZimmer in Hohenfelde eine Anlaufstelle.

Das von Oberbaudirektor Fritz Schumacher entworfene Altersheim Groß Borstel ist zu seiner Eröffnung 1929 deutschlandweit einzigartig innovativ: Es hat ausschließlich Einzelzimmer, zum Teil mit Kochnische, und Doppelzimmer für Paare. Fließend Wasser in allen Zimmern und wohnzimmerähnliche Gemeinschaftsräume bieten viel Komfort. Ältere Menschen, für die eigenständiges Wohnen nicht mehr erschwinglich ist, sollen hier so selbstständig wie möglich leben.

Dieser Ansatz gilt bis heute: In dem denkmalgeschützten Gebäude mieten Senior:innen barrierearme 1- und 2-Zimmer-Wohnungen an. Sie können auf zahlreiche Service-Angebote zurückgreifen und sich an Kultur- und Freizeitangeboten beteiligen.

Der historische Wasserturm.

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Mitte des 20. Jahrhunderts – Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg

Menschen, die nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen, kommen – meist unfreiwillig – ins Versorgungsheim Farmsen. Die große Zweigstelle ist seit 1904 in Betrieb. Um die Öffentlichkeit vor ihnen zu „schützen“, werden Alkoholkranke, Prostituierte, „Asoziale“ und Menschen mit Behinderung zwangseingewiesen und geschlossen untergebracht. Sie werden entmündigt, zu harter Arbeit auf dem Feld oder in den Anstaltsbetrieben gezwungen und körperlich gezüchtigt.

Verbrechen im Nationalsozialismus

Während des Nationalsozialismus intensiviert man diese Praxis. Auch Jugendliche, die sich der Hitler-Jugend verweigern, und Homosexuelle werden in Farmsen interniert. Das Versorgungsheim lässt Menschen zwangsweise sterilisieren und überstellt sie an Einrichtungen, von denen Transporte in Tötungsanstalten führen.

Die Erinnerung an diesen Missbrauch städtischer Sozialeinrichtungen hält Fördern & Wohnen wach. Wir haben gemeinsam mit Pflegen & Wohnen Hamburg die Initiative ergriffen, auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsheims Farmsen einen Erinnerungsort zu gestalten. 

Große Wohnungsnot nach dem Krieg

Der Zweite Weltkrieg hinterlässt ein völlig zerstörtes Hamburg, die Wohnungsnot ist massiv. Die Bevölkerung kommt in Behelfsunterkünften wie „Nissenhütten“ und in ausgedienten Kasernen unter.

1904 geht im ländlichen, aber zu Hamburg gehörigen Farmsen die große Zweigstelle des Werk- und Armenhauses in Betrieb: ein Komplex aus Wohn- und Verwaltungsgebäuden sowie Handwerks- und Landwirtschaftsbetrieben mit Anbauflächen.

1930 leben dort etwa 1.400 Menschen, die durch Arbeitsmaßnahmen „rehabilitiert“ werden sollen. Tatsächlich entsteht ein Ort der Zwangsfürsorge: Obdachlose, Suchtkranke, Prostituierte und Menschen mit Behinderung bringt man zunehmend geschlossen unter. „Asoziale und Schwachsinnige“ werden sie entwürdigend genannt. Wer sich nicht fügt, wird hart bestraft.

Während des Nationalsozialismus werden in Farmsen über 1.200 Frauen zwangssterilisiert. Ab 1940 werden Insass:innen an Einrichtungen überstellt, von denen aus sie in Konzentrationslager oder Tötungsanstalten deportiert werden. Der damalige Leiter der Hamburger Anstalten, in dessen Verantwortung dies alles geschieht, bleibt bis 1950 im Amt.

Heute befinden sich auf dem Gelände ein Pflegeheim, eine Kindertagesstätte, Einrichtungen von F&W für Menschen mit Behinderung und neu gebaute Wohnungen für gut 1.000 Menschen. Aus dem ehemals umzäunten Gelände ist ein offenes, lebendiges Quartier geworden. Die denkmalgeschützen Altbauten werden nach und nach saniert. Ein Ort des Gedenkens an die Opfer der NS-Verbrechen ist in Vorbereitung. 2023 erinnerte eine Ausstellung im Freien unter dem Titel „Temporäre Intervention“ an damalige Insass:innen des Versorgungsheims. Häuser, in denen heute psychisch erkrankte Menschen weitgehend selbstständig leben, wurden 2024 nach ehemaligen Insass:innen benannt. So bleibt die Erinnerung an Menschen wach, die zu Lebzeiten entrechtet und weggesperrt wurden. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg herrscht im ausgebombten Hamburg extreme Wohnungsnot. Die Bevölkerung – vom Kriegsversehrten bis zum Waisenkind – kommt in Behelfsunterkünften unter.

Bis zu 42.000 Menschen leben in den sogenannten Nissenhütten: Die schnell zu errichtenden, 50 Quadratmeter großen Hütten aus Wellblech und Holz sind nach ihrem Erfinder Peter Norman Nissen, einem kanadischen Offizier, benannt. Das Leben in den Hütten ist hart: Bis zu 25 Personen teilen sich den Platz. Im Winter ist es extrem kalt, im Sommer glühend heiß. 1951 leben noch 14.000 Menschen in den Behelfsunterkünften.

1949 erwirbt Hamburg das Grundstück, dessen Ursprünge bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen, sowie den angrenzenden Gutsbetrieb. In der „Trinkerheilstätte“ Heinrich-Eisenbarth-Heim werden nicht-pflegebedürftige, alkoholkranke Männer untergebracht, um die vollen Pflegeeinrichtungen in Hamburg zu entlasten. Der Ort wirkt lange wie eine geschlossene Einrichtung.

Zu Beginn der 1980er-Jahre werden die Aufgaben der Trinkerheilstätte abgegeben und neue Konzepte für den Umgang mit Sucht und psychischer Erkrankung entwickelt.

Heute schafft man gemeinsam mit den Klient:innen eine sinnvolle Tagesstruktur und fördert die Teilhabe an der Gesellschaft – als Vorbereitung auf ein suchtmittelfreies Leben.

Zwei Menschen sitzen sich an einem Tisch gegenüber

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1960er-Jahre – Reformen

1962 tritt das Bundessozialhilfegesetz in Kraft. Ab jetzt besteht ein Rechtsanspruch auf staatliche Hilfe für alle Menschen, die in einer Notlage sind. Mitsprache und Mündigkeit der Betroffenen rücken in den Fokus. Darunter fallen nicht mehr nur Arme oder Mittellose, sondern auch Menschen mit Behinderung. Im Gesetz ist die Eingliederungshilfe erstmals verankert. Die Unterstützung richtet sich nach dem individuellen Bedarf und ist nicht mehr an Gegenleistungen gebunden.

Es folgen weitere Reformen: 1968 erkennt das Bundessozialgericht Alkoholismus als Krankheit an. 1969 etabliert Hamburg als erstes Bundesland die Mitsprache von Bewohner:innen der Pflegeheime in Heimbeiräten.

Neue Wohnsiedlungen für Obdachlose

Die allgemeine wirtschaftliche Situation in der Stadt wird immer besser, und die wohlhabender werdende Gesellschaft nimmt Obdachlosigkeit zunehmend als soziale Herausforderung wahr. Bis 1970 entstehen in Hamburg 7 Wohnsiedlungen für obdachlose Familien. Die Wohnsituation ist beengt bis prekär, so dass man sich verstärkt darauf besinnt, obdachlose Menschen in regulären Wohnraum zu vermitteln und dabei intensiv sozialpädagogisch zu begleiten.

Das Schiff Stockholm.

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1990er-Jahre – Neue Strukturen

Anfang der 1990er-Jahre suchen innerhalb kurzer Zeit hunderttausende Menschen in Deutschland Schutz vor den Jugoslawien-Kriegen und anderen Konflikten. Hinzu kommen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes Spätaussiedler:innen aus der Sowjetunion und Übersiedler:innen aus der ehemaligen DDR.

In Hamburg verdoppelt sich die Zahl der Asylsuchenden binnen eines Jahres von rund 19.700 in 1992 auf 42.000 im Folgejahr.

Für ihre Unterbringung sind die direkten Vorgänger-Institutionen von Fördern & Wohnen  zuständig: Zunächst das Amt für Heime, ab 1991 der Landesbetrieb Pflegen und Wohnen und ab 1997 die Anstalt öffentlichen Rechts Pflegen und Wohnen AöR.

Maßnahmen gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit

Pflegen und Wohnen betreibt die städtischen Alters- und Pflegeheime, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Unterkünfte für Wohnungslose. Da diese Unterkünfte nicht ausreichen, kommen Asylsuchende provisorisch in Turnhallen, auf Campingplätzen, in Bunkern und auf Wohnschiffen unter. Gleichzeitig entstehen die ersten Containeranlagen und Pavillondörfer, und Hamburg führt 1992 das Winternotprogramm für Obdachlose ein.

Schrittweise Verbesserung der Wohnsituation…

Seit 1987 beschäftigt das Amt für Heime eine eigene Bauabteilung, die die Errichtung neuer Standorte begleitet und für ihre Instandhaltung zuständig ist. Zunehmend gelingt es, Gemeinschaftsunterkünfte abzubauen und Geflüchtete in Unterkünften mit wohnungsähnlichen Grundrissen unterzubringen. Auch für die Verwaltung und den Betrieb der Unterkünfte sind Mitarbeitende des Amtes und später des Landesbetriebs zuständig.

… und der sozialen Beratung

Die „Sozialen Dienste“ sind bis 1996 bei der damaligen Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) angesiedelt. Sie gehen im selben Jahr an Pflegen und Wohnen über, das 1997 in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt wird.

Nach der Einbindung von Sozialarbeiter:innen in den Unterkunftsalltag wird der Personalschlüssel schrittweise angehoben und die Qualität der Sozialarbeit verbessert: Das Unterkunfts- und Sozialmanagement in den Unterkünften unterstützt die Bewohner:innen beim eigenverantwortlichen Wohnen und stärkt ihre Selbstbestimmung.

Ungelöste Probleme

Organisatorische und wirtschaftliche Probleme, die in den 1990er-Jahren insbesondere den Pflegebereich belasten, bleiben trotz der Umstrukturierungen ungelöst.

Das erste Wohnschiff „Casa Marina“ legt 1989 in Altona an, um Übersiedler:innen aus der ehemaligen DDR aufzunehmen. In den Folgejahren setzt die Stadt zunehmend auf schwimmende Unterkünfte und nutzt sie als Erstaufnahmen sowie teilweise als Winternotprogramm. Von 1989 bis 2006 gibt es insgesamt 13 Wohnschiffe mit je 200 bis 650 Plätzen, die in Harburg und Altona liegen. Ab Mitte der 1990-er Jahre gehen die Flüchtlingszahlen zurück. Viele Schiffe werden geschlossen, die Casa Marina schon 1993. Die Zentrale Erstaufnahme „Bibby Altona“ ist am längsten in Betrieb. Sie verlässt Hamburg erst 2006. 2015 machte erneut ein Wohnschiff in Hamburg fest: Die „Transit“ mit bis zu 216 Plätzen.

Das erste Containerdorf entsteht mit 492 Plätzen an der Harksheider Straße. Die 1-geschossigen, schnell zu errichtenden Bauten bestehen aus angelieferten Containermodulen. Jedes Modul bietet 2 3-Zimmer-Wohnungen mit Küche und Sanitärraum. Das Leben in den Wohncontainern ist beengt: In der Regel teilen sich zwei Personen ein rund 10 m² großes Zimmer. 1991 geht das erste 1-geschossige Pavillondorf in Holzrahmen-Bauweise mit 422 Plätzen am Hemmingstedter Weg in Betrieb. Die Häuser bestehen aus vorgefertigten Elementen und gleichen in den Grundrissen den Containermodulen, bieten aber mehr Wohnlichkeit. Das Pavillondorf Hemmingstedter Weg wird 2004 geschlossen. Ab 1992 entstehen 2-geschossige Pavillondörfer. Von diesen ursprünglich für nur 5 Jahre genehmigten Einrichtungen an insgesamt 16 Standorten bestehen 8 noch heute.

Seit 1992 gibt es das Hamburger Winternotprogramm (WNP) für obdachlose Menschen. Die Übernachtungsplätze werden von November bis März an wechselnden Standorten angeboten und anfangs nur provisorisch hergerichtet: auf Wohnschiffen, in ungenutzten Schul- und Bürogebäuden und für kurze Zeit im Luftschutzbunker unter dem Hachmannplatz. Gleich bleibt: Es gibt ein Bett für die Nacht für alle, die sonst draußen schlafen müssten. Sozialarbeiter:innen beraten die Menschen und vermitteln in dauerhafte Unterkünfte. Freiwillige des Fördervereins verteilen Mahlzeiten aus Essensspenden. Seit 2011/12 schlafen Frauen und Paare in separaten Bereichen. 2016 zieht das WNP dauerhaft in eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft in der Friesenstraße. 2- bis 3-Bett-Zimmer, frische Bettwäsche, Duschen, Waschmaschinen und Schließfächer sind inzwischen selbstverständlich. 

Die Illustration zeigt eine Unterkunft mit vielen Leuten.

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2000er-Jahre – Entstehung von Fördern & Wohnen

Anfang der 2000er-Jahre leitet ein neuer Senat die Privatisierung der städtischen Pflegeheime und der städtischen Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen ein. Der Pflegebereich wird in eine GmbH überführt und 2006 verkauft. Die verbleibende Anstalt öffentlichen Rechts erhält 2007 den Namen f & w fördern und wohnen AöR. 2008 wird die Privatisierung der Eingliederungshilfe gestoppt. Ihre Angebote werden stattdessen fachlich und organisatorisch weiterentwickelt. Da kaum noch Asylsuchende nach Hamburg kommen, werden viele Unterkünfte geschlossen.

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2010er-Jahre – Herausforderung „Flüchtlingskrise“ und Wohnungsbau

Als 2011 der Bürgerkrieg in Syrien beginnt, nimmt die Zahl von Zufluchtsuchenden in Deutschland  wieder zu. Mitte der 2010er-Jahre sind weltweit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Immer mehr Menschen suchen Schutz in Hamburg. Im Spätsommer 2015 kommen täglich mehrere hundert Geflüchtete in der Stadt an. Mitte September 2015 befinden sich rund 15.000 Asylsuchende in Hamburger Erstaufnahmeeinrichtungen. Ende 2012 waren es nur knapp 400.

Die Standorte sind schnell überlastet. Monatelang werden teils über Nacht neue Standorte in leerstehenden Baumärkten oder auf Parkplätzen eröffnet. Die Erstaufnahme Schnackenburgallee wächst zu Hamburgs größter Flüchtlingsunterkunft mit zeitweise rund 2.500 Menschen heran. In der ganzen Stadt wird nach Flächen und Gebäuden gesucht, und ein intensives Bauprogramm beginnt.

Aufbau des Projekt- und Immobilienmanagements

F&W baut seine Abteilung Gebäudemanagement zum Projekt- und Immobilienmanagement aus, in allen Bereichen wird Personal aufgestockt. Die Welle der Hilfsbereitschaft in Hamburg ist enorm. Zeitweise engagieren sich über 4.000 Freiwillige in den Unterkünften.

Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe

Während die „Flüchtlingskrise“ die öffentliche Wahrnehmung beherrscht, entwickelt F&W das Angebot für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung entscheidend weiter. In Farmsen werden stationäre Angebote in ambulante umgewandelt, wodurch Menschen mit psychischer Erkrankung mehr Selbstbestimmung erhalten – in eigenen Haushalten und Wohngemeinschaften.

2014 legt F&W den Grundstein für das Wohnhaus Hermann-Westphal-Straße, den ersten Wohnungsneubau im Geschäftsbereich Begleitung und Teilhabe. Und unterzeichnet die „Rahmenvereinbarung Eingliederungshilfe“: Sie greift die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention auf und schafft mit einem festen Trägerbudget Finanzierungssicherheit und Gestaltungsfreiheit für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung.

Als die Kapazitäten der Zentralen Anlaufstelle für Asylsuchende in der Sportallee dauerhaft erschöpft sind, plant man zu ihrer Entlastung 300 Plätze auf dem „Parkplatz Braun“ am HSV-Stadion. In den nächsten Jahren wächst der Standort zu Hamburgs größter Flüchtlingsunterkunft heran: Im Sommer 2015 hat „die Schnacke“ eine Kapazität von 2.400 Plätzen. Neben Containern reihen sich Zelte, in denen Asylsuchende auch über den Winter ausharren müssen. Die Bedingungen erzeugen Frust unter den Geflüchteten, belasten die Mitarbeitenden und ziehen großes öffentliches Interesse auf den Standort. Nach und nach ziehen die Geflüchteten aus, 2018 wird die Schnacke geschlossen.

Im ersten Wohnungsneubau für Menschen mit Behinderung entstehen in Wilhelmsburg Einzelapartments, die an Personen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung vermietet werden. Sie leben weitgehend selbstständig und können nach Wunsch das im Haus ansässige ambulante Assistenzteam in Anspruch nehmen. Die Mieter:innen gestalten ihr Zusammenleben aktiv mit. Im Bezirk Wandsbek errichtet F&W in den Folgejahren drei weitere Neubauten mit Wohnungen für Menschen mit psychischer Erkrankung. Überall gehören offene Treffpunkte für den Austausch mit der Nachbarschaft dazu.

Im Sommer 2015 kommen an manchen Tagen bis zu 500 Asylsuchende in Hamburg an. Die Erstaufnahmen und sämtliche Provisorien sind überfüllt. Als letzte Maßnahme, um den Menschen ein Obdach zu geben, schafft die Stadt von Anfang August bis Ende September 1.200 Plätze in Hallen der Hamburg Messe. Zahlreiche Mitarbeitende aus der Zentrale unterstützen vor Ort – genauso wie hunderte freiwillige Helferi:nnen.

Die Illustration zeigt einen Kran und einen Rohbau

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2015 – Neue Aufgaben 

Ende 2016 ändert die Hamburger Bürgerschaft das Anstaltserrichtungsgesetz für F&W: Das Unternehmen steigt in den Bau von geförderten und freifinanzierten Wohnungen ein.

Wohnungsbau und sozial gemischte Quartiere

2019 ist der Kapazitätsaufbau in Hamburg vorerst geschafft: Alle Menschen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen, die Anspruch auf Unterbringung in einer Wohnunterkunft haben, bekommen einen Platz. Die prekären Großstandorte sind abgebaut. Neu errichtete Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen haben den Standard des geförderten Wohnungsbaus. Geflüchtete mit Bleibeperspektive bereiten sich hier auf das Leben im eigenen Wohnraum vor.

Das Projekt- und Immobilienmanagement von F&W widmet sich zunehmend dem Wohnungsbau und schafft an der Ohlendiekshöhe ein großes, sozial gemischtes Quartier mit über 300 Wohnungen. Das Unternehmen bietet hier erstmals Mietwohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt an.

Stärkung der Bewohner-Beteiligung

Was in den Angeboten für Menschen mit Behinderung schon lange selbstverständlich ist, hält Einzug in den Unterkünften für Geflüchtete: Die Beteiligung und Mitsprache von Bewohner:innen wird bereichsübergreifend gestärkt. Erste Bewohner:innen engagieren sich in Quartiersbeiräten. 

Jubiläum unter dem Motto „Da sein! Seit 400 Jahren“

2019 feiert Fördern & Wohnen 400-jähriges Jubiläum. Denn das Unternehmen steht in der Nachfolge der ersten städtischen Wohlfahrtseinrichtung – des 1619 gegründeten Werk- und Zuchthauses am Alstertor. Heute befindet sich dort das Thalia Theater, in dessen Saal und Räumen am 9. September das Jubiläum begangen wird. Ein ganzer Tag steht unter dem Motto „Da sein! Seit 400 Jahren“. Ein Festakt mit dem Ersten Bürgermeister gehört ebenso dazu wie eine halbtägige Zukunftswerkstatt, bei der Fachleute Ideen zu der Frage austauschen, wie die soziale Stadt von morgen gestaltet werden soll. Klient:innen und Mitarbeitende von F&W sind vielfältig beteiligt.

Die Illustration zeigt eine große Baustelle von oben

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2020er-Jahre – Pandemie und Kapazitätsaufbau auf 46.000 Plätze

Als im März 2020 die Coronavirus-Pandemie in Deutschland zu einem weitgehenden „Lock down“ führt, werden viele Einrichtungen für hilfesuchende Menschen bis auf Weiteres geschlossen. Nicht so die Anlaufstellen von F&W: Als Teil der öffentlichen sozialen Daseinsvorsorge halten sie ihren Betrieb aufrecht und bauen ihn sogar aus.

Coronavirus-Pandemie: F&W ist für die Menschen da

In der „Markthalle“, einer alteingesessenen Hamburger Konzerthalle, eröffnet F&W kurzerhand eine Tagesstätte für obdachlose Menschen, um ihnen während der Pandemie Schutz zu gewähren. Das Winternotprogramm von F&W bleibt 2020 und 2021 das ganze Jahr geöffnet, vermittelt Obdachlosen medizinische Hilfe und stellt Quarantäne-Bereiche zur Verfügung. Gemeinsam mit den Krisenstäben der Stadt sorgt bei F&W ein Krisenstab und eine äußerst engagierte Belegschaft dafür, dass Infektionsfälle in den Unterkünften nicht häufiger sind als in Hamburg insgesamt – trotz enger Wohnverhältnisse.

Angriff auf die Ukraine: F&W schafft tausende neuer Unterkunftsplätze 

Als im Februar 2022 die Coronavirus-Pandemie endlich ausklingt, kommt auf F&W die nächste Herausforderung zu: Russland greift die Ukraine an, und sogleich treffen von dort jeden Tag hunderte schutzsuchender Menschen in Hamburg ein. Groß ist die Hilfsbereitschaft von Hamburger Bürger:innen, Menschen privat aufzunehmen. Doch es werden auch tausende Unterbringungsplätze gebraucht. Innerhalb kürzester Zeit errichtet F&W neue Standorte. An der Schnackenburgallee, wo sich 2015/16 die größte Erstaufnahme für Asylsuchende befand, entsteht erneut ein Container-Dorf mit über 1.000 Plätzen. Ehemalige Hotels wie das Sofitel werden angemietet und als Unterkünfte genutzt. In der City-Nord wird die ehemalige Postbank-Zentrale zu einer Unterkunft mit rund 1.500 Plätzen umgebaut. 

Betreibermanagement und „Mobile Einsatzteams“

Das Unternehmen wächst rasant, schreibt in den Jahren 2022 bis 2024 hunderte neuer Stellen aus, um den sprunghaft gestiegenen Unterbringungsbedarf zu bewältigen. Doch F&W kann die neuen Standorte nicht alle selbst betreiben. Hilfsorganisationen werden mit dem Betrieb von Unterkünften beauftragt. Um diese Betreiber gut zu begleiten und die Qualität der Unterbringung zu sichern, baut F&W ein neues Arbeitsfeld auf: das Betreibermanagement. „Mobile Einsatzteams“ aus Sozialarbeiter:innen beraten die Menschen, die in Hotels untergebracht sind.

Fachliche Weiterentwicklung auf vielen Gebieten

Mitte der 2020er-Jahre ist F&W für rund 50.000 Menschen im sozialen Einsatz. Dabei wird in manchen Arbeitsfeldern neuer Bedarf festgestellt. Zum Beispiel steigt, wie in der Gesamtbevölkerung, die Lebenserwartung obdachloser Menschen. Auf die gesundheitlichen Beschwerden hochaltriger Obdachloser reagiert F&W mit der Einrichtung sogenannter Lebensplätze: Sie geben im Rahmen von Kleinstwohnungen oder Wohngemeinschaften Schutz bis an das Lebensende, vermitteln Hilfe und auch Pflege.

Die „MediLotsen“ nehmen 2024 ihre Arbeit auf. Sie beraten sowohl die Teams von F&W in den Unterkünften als auch die Träger des Hamburger Gesundheitssystems, zum Beispiel Krankenhäuser und Praxen. Ziel ist es, den teils drängenden medizinischen Bedarf der Bewohner:innen und Klient:innen von F&W bestmöglich mit den Bedingungen der staatlichen Gesundheitsversorgung zu verzahnen.

Für obdachlose Menschen mit Pflegebedarf eröffnet F&W 2024 in einem ehemaligen Pflegeheim eine spezialisierte Unterkunft. Auch ein Haus zum Übergangswohnen für Obdachlose wird gleichzeitig eröffnet. Hier unterstützt F&W Menschen beim Absprung aus der Obdachlosigkeit. Die Straßensozialarbeit wird ausgebaut, und die Kernsanierung der über einhundert Jahre alten Not-Übernachtungsstätte „Pik As“ in der Hamburger Neustadt beginnt: Für Obdachlose entsteht hier bis Ende 2025 eine barrierearme Schlafstätte in zeitgemäßem Bau-Standard. 

Wohnungsbau für alle 

Die Jahre 2024 und 2025 bringen einen Schub im geförderten Wohnungsbau von F&W. Mehrere Neubauten werden fertiggestellt und bezogen – zum Beispiel in Hamburg-Bahrenfeld mit dem Konzept „In Zukunft wohnen“. Oder in Hamburg-Farmsen, wo in einem traditionsreichen Quartier gleich mehrere Neubauten entstehen, für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Senior:innen. Im Frühling 2025 tut F&W auf einem Grundstück zwischen Veddel und Wilhelmsburg den ersten Spatenstich für das bisher größte Bauvorhaben des Unternehmens: Der „Hafenbahnpark“ soll fast 700 Menschen ein neues Zuhause geben. Azubis und Studierende, Senior:innen und Geflüchtete, auch Menschen mit geistigen und Mehrfach-Behinderungen werden willkommen sein in einem grünen, autofreien Quartier. Erstmals baut F&W hier auch Ladenlokale. Rund 120 Millionen Euro werden am Standort investiert.   

Eine ganze Neubausiedlung für Geflüchtete in Poppenbüttel: So hatte die Stadt Hamburg es 2016 geplant. Denn der Unterbringungsbedarf war immens, und ein neues bundesweites Baurecht machte es möglich, schnell entsprechenden Wohnraum zu schaffen. Doch Initiativen von Anwohner:innen drängen in Poppenbüttel und an anderen Orten darauf, „gemischte“ Standorte zu schaffen, die Integration ermöglichen. Nicht tausende geflüchteter Menschen sollten für sich leben, sondern Hamburger:innen sollten ihre Nachbar:innen sein. So errichtet F&W die am Poppenbüttler Berg geplanten 319 Wohnungen, aber nur ein Teil wird als „Unterkunft mit der Perspektive Wohnen“ für Geflüchtete genutzt. Der größte Teil wird dem sozialen und ein kleiner Teil dem freien Wohnungsmarkt zugeführt. So entsteht ein gemischtes Quartier, zu dem auch zwei Kitas und ein Begegnungshaus gehören. 

Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen in gemischten Quartieren entstehen auch an anderen Orten, eine in jedem Stadtbezirk. 

Mit einem Neubau in Hamburg-Farmsen eröffnet F&W 2024 das Zentrum an der Dorothea-Buck-Straße: Das neue Doppelhaus bietet Wohnungen und Assistenz für psychisch kranke Menschen und bildet die Mitte eines Quartiers im Wandel. Neben Apartments für weitgehend selbständig lebende Menschen bietet der Neubau besondere Wohnformen für Menschen mit höherem Assistenz-Bedarf. Auch „geschütztes Wohnen“ für Personen, die sich selbst gefährden, wird nun in Farmsen angeboten. Damit ist ein Kompetenzzentrum entstanden, das von der Beratung über Arbeitsbegleitung bis zu hochstrukturierten Angeboten die ganze Bandbreite an Eingliederungshilfe für psychisch erkrankte Erwachsene auf einem wohnlichen Campus bereithält. 

In Hamburg-Bahrenfeld baut F&W auf einem ehemaligen Sportplatz ein neues Wohnquartier und führt das Konzept der „Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen“ fort. Die 107 Wohnungen im Standard des sozialen Wohnungsbaus sollen zunächst für öffentliche Unterbringung genutzt werden, um den dringenden Platzbedarf zu decken – nicht nur für geflüchtete, sondern auch für Menschen, die in Hamburg wohnungslos sind. Nach 1 bis 3 Jahren sollen die Wohnungen in Mietwohnungen umgewandelt werden. So finden Familien und Alleinstehende, die es auch dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben, auf Dauer ein Zuhause. Zu dem Quartier gehört auch ein Haus mit Räumen für Begegnung und Engagement, wo die bestehende Nachbarschaft herzlich willkommen ist. An der Wichmannstraße baut F&W erstmals seriell, setzt also vorproduzierte Bauteile ein. Anfang 2025 wird das erste der 6 Häuser fertiggestellt und bezogen.