10 Jahre Hilfen für Geflüchtete

4. Teil der Reihe: Wie war das im Sommer 2015, als Geflüchtete in der Hansestadt ankamen und so schnell wie möglich untergebracht werden mussten? F&W-Mitarbeiter Naim Hamid berichtet
27. August 2025
Der Mitarbeiter vor einer Unterkunft

An mehr als 200 Standorten in Hamburg gibt F&W heute obdachlosen oder geflüchteten Menschen eine Unterkunft. Rund 45.000 Personen bekommen auf diese Weise in Hamburg ein Dach über dem Kopf. 

10 Jahre zurück: Wie war das im Sommer 2015, als die Geflüchteten so schnell wie möglich untergebracht werden mussten? F&W-Mitarbeiter Naim Hamid berichtet.

Wie haben Sie den Sommer 2015 in Erinnerung?

Ich war zu dem Zeitpunkt Student für den Masterstudiengang “Internationale Kriminologie und Sozialforschung” an der Universität in Hamburg. 4 Jahre zuvor musste ich aus Afghanistan fliehen, wo ich als Jurist gearbeitet hatte. Ein Kommilitone hat mir dann von seiner Tätigkeit für Fördern & Wohnen erzählt. Ich brauchte einen Nebenjob und bin einfach mitgegangen.

Und Ihr erster Arbeitstag?

Ich war als Aushilfe angestellt und stand in der Erstaufnahme Niendorfer Straße in Eimsbüttel. Das war eine Container-Unterkunft für 300 Menschen. Ich spreche 7 Sprachen. So habe ich in der Sprechstunde der Sozialberatung übersetzt, in der Kleiderkammer geholfen und Geflüchtete zu Arztterminen begleitet. 

Welche Sprachen sprechen Sie?

Arabisch, Dari, Farsi, Paschtu, Urdu, Russisch, Englisch. Deutsch ist schwer! Um es zu lernen, habe ich anfangs ein Buch abgeschrieben. Es hieß „Deutsch im Alltag“ und hatte 200 Seiten. Jeden Tag habe ich 10 Wörter auf Post-its geschrieben, an die Tür geklebt und auswendig gelernt. Dank eines Stipendiums der Otto-Benecke-Stiftung habe ich die Deutschkurse bis C1 absolviert.

Die Unterkunft Tegelweg ist erst ein Jahr alt, hier wirkt alles sehr modern. Ein Vorzeige-Standort?

Bei F&W habe ich inzwischen in 10 Unterkünften gearbeitet. Das Level ist unterschiedlich. Es war mein Traum, auch mal eine Unterkunft beim Bau mitgestalten zu können. Hier ist der Traum wahr geworden. Die gesamte Anlage ist in Modulbauweise gebaut, alle Elemente sind nachhaltig produziert und wiederverwendbar. Das sieht man.

Die Wohnunterkunft

Die Unterkunft Tegelweg wurde im August 2024 fertig gestellt

Was ist für Sie und Ihr Team am Tegelweg wichtig?

Wir sind zu neunt und arbeiten nach dem Motto „Freundlich, konsequent, sachlich“. Das klappt. Wir spüren hier vor Ort immer wieder, dass die Menschen ankommen, viele sind tagsüber in der Schule oder im Sprachkurs, einige sind berufstätig. Das Zusammenleben funktioniert, weil wir ansprechbar sind. Und auch, weil wir regelmäßig informieren. Das ist unsere Verantwortung. Wenn man mit Menschen arbeitet, muss man immer wieder aufklären, erklären, um Verständnis werben. Wir haben übrigens für fast alles Aushänge, Plakate und Info-Schreiben in verschiedenen Sprachen, wir sind die Flyer-Meister!

Was ist 2025 bei der Unterbringung von Geflüchteten anders als 2015?

2015 haben wir in den Erstaufnahmen im 3-Schicht-System gearbeitet, um die Menschen überhaupt irgendwie versorgen zu können. Heute reagieren wir ganz anders: Wir bewegen uns sicher in einem klaren, funktionierenden System. 

Was haben Sie persönlich gelernt?

Ich habe erlebt, wie man als Organisation und als Team große Dinge bewegen kann, wenn man Hand in Hand arbeitet. Mir hilft es auch sehr, dass ich eine eigene Fluchterfahrung habe, ich war selbst in einer Erstaufnahme, in einer Folgeunterkunft und im Deutschkurs. Davon erzähle ich den Bewohner:innen immer wieder. Genau wie sie musste ich einen Weg suchen. Sprache, Wohnung, Arbeit… Für mich ist Hamburg ein Paradies, man kann hier Arbeit finden und sich schnell integrieren. Man muss aber auch Geduld haben und das System kennen. 

Naim Hamid

2014 Aushilfe in der Erstaufnahme Niendorfer Straße, 2016 Erstaufnahme Jenfelder Moor, 2017 Unterkunft Poppenbütteler Weg für obdachlose, alleinstehende Männer, 
2019 Unterkunftsmanagement Wohnunterkunft Walddörfer Straße, 2020 Unterkunftsmanagement Wohnunterkunft Volksdorf, bis 2022 (kommissarische) Teamleitung in verschiedenen Unterkünften, 2022 Teamleiter Unterkunft Rodenbeker Straße in Bergstedt, seit 2024 Teamleiter Tegelweg

Hintergrund-Infos

  • 304 Bewohner:innen
  • 2 bis 4-Zimmer-Wohnungen, 4 barrierearme Wohnungen
  • im August 2024 fertig gestellt
  • 9 Gebäude in Modulbauweise

  • Dienst- und Fachaufsicht über die Mitarbeiter:innen im Unterkunfts- und Sozialmanagement sowie des Technischen Dienstes im Auftrag der Bereichsleitung
  • Organisation der Aufgabenverteilung innerhalb des Teams
  • Überwachung der wirtschaftlichen Abläufe der Unterkünfte
  • Koordination und Steuerung der Einhaltung betrieblicher Abläufe
  • Ausbau und Weiterentwicklung tragfähiger Netzwerke in den Quartieren
  • Öffentlichkeits- und Akzeptanzarbeit 

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